Nach Ansicht von Generalanwältin Trstenjak kann ein Unternehmen seine Marken nur dann als .eu-Domänennamen anmelden, wenn es in der EU ansässig ist
Zwar kann ein ansässiger Lizenznehmer eine solche Anmeldung vornehmen, und konnte auch von der bevorzugten Anmeldung während der Sunrise-Period profitieren, als Lizenznehmer gilt jedoch nur, wer die Marke selbst gewerblich nutzen darf.
Am 7. Dezember 2005 fiel der Startschuss für die Registrierung von Internet-Domänennamen unter der Domäne oberster Stufe „.eu“.1 Die Registrierung erfolgt nach dem Windhundprinzip, d. h. der erste Antragsteller kommt zum Zug. Während der ersten vier Monate, der sog. Sunrise Period, waren jedoch nur Inhaber früherer Rechte und öffentliche Einrichtungen antragsberechtigt. Zudem wurde unter den Inhabern früherer Rechte differenziert. So waren die ersten zwei Monate Inhabern von nationalen Marken, Gemeinschaftsmarken und geographischen Angaben vorbehalten. Allerdings konnten auch ihre Lizenznehmer diese bevorzugte Behandlung in Anspruch nehmen. Die für die Registrierung zuständige Stelle EURid2 trägt, so heißt es in der einschlägigen Regelung, Domänennamen ein, die von einem in der EU ansässigen Unternehmen beantragt wurden.
Das amerikanische Unternehmen Walsh Optical bietet über seine Website www.lensworld.com Kontaktlinsen und andere Brillenartikel an. Wenige Wochen vor Beginn der Sunrise Period ließ es sich „Lensworld“ als Benelux-Marke schützen (inzwischen ist sie wieder gelöscht). Außerdem schloss es mit Bureau Gevers, einer belgischen Beraterfirma im Bereich des geistigen Eigentums, eine „Lizenzvereinbarung“. Danach sollte Bureau Gevers im eigenen Namen, aber für Rechnung von Walsh Optical einen .eu-Domänennamen registrieren lassen. Dementsprechend meldete Bureau Gevers am 7. Dezember 2005, dem ersten Tag der Sunrise Period, bei EURid den Domänennamen „lensworld.eu” an. Am 10. Juli 2006 wurde er für Bureau Gevers registriert.
Das belgische Unternehmen Pie Optiek, das über die Website www.lensworld.be Kontaktlinsen und Brillen anbietet, meldete am 17. Januar 2006 ebenfalls den Domänennamen „lensworld.eu” bei EURid an. Auch Pie Optiek hatte sich kurz zuvor „Lensworld“ als Benelux-Bildmarke schützen lassen. Wegen des bereits von Bureau Gevers gestellten Antrags lehnte EuRid seinen Antrag jedoch ab. Pie Optiek macht nun geltend, Bureau Gevers habe spekulativ und missbräuchlich gehandelt. Die mit dem Rechtsstreit befasste Cour d’appel de Bruxelles ersucht den Gerichtshof in diesem Zusammenhang um eine nähere Umreißung des Begriffs des während der ersten Phase der Sunrise Period antragsberechtigten Lizenznehmers.
Generalanwältin Trstenjak vertritt in ihren Schlussanträgen von heute die Ansicht, dass die von Walsh Optical und Bureau Gevers getroffene Vereinbarung trotz ihrer Bezeichnung als „Lizenzvereinbarung“ kein Lizenzvertrag, sondern ein Dienstleistungsvertrag sei. Bureau Gevers habe nämlich gegen Entgelt – wenn auch im eigenen Namen – allein im Interesse von Walsh Optical die Eintragung des Domänennamens „lensworld.eu” erwirken sollen. Es habe somit lediglich eine Dienstleistung erbringen sollen. Die zentralen Wesensmerkmale einesLizenzvertrags fehlten dagegen, nämlich das Recht des Lizenznehmers, die Marke (hier: „Lensworld“) selbst gewerblich zu nutzen und sie gegenüber Dritten zu verteidigen. Bureau Gevers könne somit nicht als Lizenznehmer angesehen werden, der in den Genuss der Sunrise Period kommen konnte.
Generalanwältin Trstenjak unterstreicht sodann die Grundsatzentscheidung des Unionsgesetzgebers, dass nur solche Unternehmen und Organisationen einen .eu-Domänennamen beantragen können, die selbst in der EU ansässig sind. Die Domäne oberster Stufe „.eu“ sei nämlich dazu bestimmt, eine deutlich erkennbare Verbindung mit der EU, ihrem rechtlichen Rahmen und dem europäischen Markt zu schaffen. Unternehmen, Organisationen und natürlichen Personen innerhalb der EU solle eine Eintragung in eine spezielle Domäne ermöglicht werden, die diese Verbindung offensichtlich mache.
Vor diesem Hintergrund könne man nicht dulden, dass ein nicht ansässiges Unternehmen die Bestimmungen über die Antragsberechtigung dadurch umgehe, dass es die Eintragung eines .eu-Domänennamens unter Verwendung einer rechtlichen Konstruktion wie der Beauftragung einer anderen, in der Union ansässigen und damit antragsberechtigten Organisation erwirke.
Da die von Walsh Optical und Bureau Gevers getroffene Vereinbarung rechtlich nicht als Lizenzvertrag, sondern als Dienstleistungsvertrag einzuordnen und Bureau Gevers folglich während der Sunrise Period nicht antragsberechtigt gewesen sei, müsse EURid den an Bureau Gevers vergebenen Domänennamen „lensworld.eu” von sich aus widerrufen.
Quelle:
Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 55/12
Luxemburg, den 3. Mai 2012
Schlussanträge der Generalanwältin in der Rechtssache C-376/11
Pie Optiek / Bureau Gevers
Der Volltext der Schlussanträge wird am Tag der Verlesung auf der Curia-Website veröffentlicht und kann hier abgerufen werden.
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Christian Welkenbach
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